NS-Vergangenheit des BMJ

Rosenburg
Bild: G. Nettersheim

Seit Gründung der Bundesrepublik bis Mitte der siebziger Jahre residierte das Bundesjustizministerium in der „Rosenburg“ in Bonn. Hier wurden Gesetzesentwürfe erarbeitet, die noch heute Teil des juristischen Fundaments von Staat und Gesellschaft bilden. Etliche Personalentscheidungen über die Besetzung höchster Ämter wurden hier (mit-)getroffen und die Position von Bundesregierung und Bundesrepublik Deutschland zu unzähligen schwierigen Fragen wurde auf der Rosenburg mitgestaltet.

Doch wer entwarf die Gesetze und entschied die schwierigen Fragen? Was hatten diese Leute eigentlich vor 1945 getan und wie standen sie zu Gesetzgebung und Rechtsprechung aus der Zeit des Nationalsozialismus? 2012 setzte das Bundesministerium der Justiz eine unabhängige wissenschaftliche Kommission unter Leitung von Professor Safferling und dem Potsdamer Zeithistoriker Professor Manfred Görtemaker ein, um diesen und weiteren Fragen im Detail nachzugehen.

 

Minister Maas, die Professoren Görtemaker, Safferling und Wirsching (IfZ München) - von links Fot BMJV/Habig
Minister Maas, die Professoren Görtemaker, Safferling und Wirsching (IfZ München) – von links
Foto BMJV/Habig

Die Unabhängige Wissenschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit (UWK-BMJ) wertete in der Folge Personal- und Sachakten des Ministeriums aus, führte Gespräche mit noch lebenden Zeitzeugen und diskutierte – dem Konzept der Public History folgend – ihre Erkenntnisse noch während der laufenden Forschungsarbeiten immer wieder in öffentlichen Veranstaltungen.

In Ihrer Forschung ging die Kommission insbesondere den personellen und sachlichen Kontinuitäten im Bundesjustizministerium der frühen Bundesrepublik nach. Wie viele Mitarbeiter des Ministeriums waren bereits Beamte des Reichsjustizministeriums gewesen? Wie viele waren Mitglieder von NS-Organisationen? Und was lässt sich unabhängig von solchen formalen Kriterien über den Grad individueller Belastung sagen? Welche Rolle spielte die persönliche Geschichte bei Beförderungen? Wie weit und vor allem warum blieb nationalsozialistisches Recht in Kraft? Welche Bedeutung hatten NS-Ideologie und Rechtsdenken bei der Ausarbeitung neuer Normen? Wie ging man mit der Strafverfolgung von Tätern, nicht nur in den eigenen Reihen, um? Und wie stand das Ministerium zu den Opfern, wenn es etwa um Entschädigungen ging?

 

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Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten finden sich im Abschlussbericht der Kommission, der im Herbst 2016 veröffentlicht wurde. „Die Akte Rosenburg“ bietet einen detaillierten Einblick in die Geschichte des Bundesjustizministeriums und wirft Licht auf zahlreiche einzelne Fragen und Probleme, die in der ein oder anderen Weise immer wieder das nationalsozialistische Erbe zum Thema machten.

Neben dem Abschlussbericht sind aus einer Reihe von Symposien, in deren Rahmen die Kommission ihre Forschung öffentlich vorstellte und zu Diskussionen einlud, weitere Veröffentlichungen entstanden. Hervorgehoben sei hier insbesondere der Band „Die Rosenburg – das Bundesministerium der Justiz und sein Umgang mit der NS Vergangenheit“, der 2013 erschienen ist und den Forschungsstand zu Beginn der Kommissionsarbeiten nachzeichnet. Überdies hat das Bundesjustizministerium Reden und Beiträge auf vielen der weiteren sieben Symposien in Form von – auch kostenlos als pdf erhältlichen – Broschüren veröffentlicht. Die Broschüren finden Sie hier.

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Ganz im Sinne der Ausrichtung als Projekt der Public History ließ das Ministerium nach Abschluss der Arbeiten eine Wanderausstellung konzipieren, die die wesentlichen Forschungsergebnisse in anschaulicher Form zusammenfaßt. Leitmotiv ist dabei, die „zwei Seiten – Licht und Schatten“ der Rosenburg aufzuzeigen: Jede Tafel zeigt Erläuterungen sowohl auf ihrer Vorder- als auch auf ihrer Rückseite. Während die Frontseite etwa Fachkompetenz, Examensnoten und Arbeitseinsatz des Personals der Rosenburg aufzeigt, macht die Rückseite nationalsozialistische Belastungen, kritikwürdige Sachentscheidungen und Versäumnisse derselben Personen deutlich. Die Ausstellung, die erstmals 2017 am Landgericht Berlin zu besichtigen war, hat seither bereits zwei Dutzend Stationen absolviert. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.rosenburg.bmjv.de/WebS/RBP/DE/Home/home_node.html

Wir laden Sie ein, sich näher mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu befassen und die Bedeutung dieser Arbeit für die Gegenwart zu erkunden, sei es mittels unserer Arbeiten oder sei es mittels eines der vielen ähnlichen Projekte, die sich in den letzten Jahren mit diesem so bedeutenden Thema befassten.