ECCT 2018 – Tagungsbericht

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Über 100 Besucher strömten gestern zum zweiten Erlanger Cybercrime Tag in den wunderschönen Wassersaal der Erlanger Orangerie. Unter Ihnen Vertreterinnen und Vertreter der Polizei- und Finanzbehörden, der Anwaltschaft, der Informatik und der Rechtswissenschaft sowie aus Wirtschaft und Industrie. Erfreulicherweise hatten auch zahlreiche Studierende der Informatik und der Rechtswissenschaft den Weg zur Tagung gefunden.

Thema der vom Bundesinnenministerium geförderten Konferenz war dieses Jahr das „Darknet und die Underground Economy“. Dass dieses Thema derzeit von gesamtgesellschaftlicher und immenser rechtspolitischer Bedeutung ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im (wahrscheinlich) zukünftigen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD die Schaffung eines neuen Straftatbestandes vorgesehen ist, der den Betrieb einer Darknethandelsplattform eigenständig kriminalisiert. Gleichzeitig stehen die Strafverfolgungsbehörden durch die Anonymisierungstechnologie des Tor-Netzwerks und der Hidden Services vor ganz neuen Herausforderungen. Diese Techniken wiederrum sind es, die in Zeiten fortschreitender staatlicher Überwachung der digitalen Sphäre, für die tägliche Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weltweit von entscheidender Bedeutung sind. Diesen Spannungsfeldern widmete sich der Cybercrime Tag 2018.

Bereits in den Begrüßungsworten des Dekans der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Hans Kudlich – der auch mit Grußworten des Präsidenten der FAU im Gepäck erschienen war – und des Veranstalters, Prof. Dr. Christoph Safferling, LL.M. (LSE), wurden viele der oben genannten Aspekte angesprochen und weitere Fragen aufgeworfen: Wie weit darf eine Vorfeldkriminalisierung im Bereich des Betreibens von Internetplattformen gehen, um kriminalpolitisch und verfassungsrechtlich noch vertretbar zu sein? Welche Ermittlungsmethoden sind im Kampf gegen den Handel mit illegalen Gütern im Darknet erfolgversprechend? Welche neuen Eingriffsbefugnisse benötigen Ermittler? Und wie können wir den Spagat zwischen effektiver Strafverfolgung und Wahrung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger im Zeitalter der Digitalisierung schaffen?

Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen hatte die International Criminal Law Research Unit von Professor Christoph Safferling herausragende Experten aus unterschiedlichen Bereichen eingeladen. Den Anfang machte Professor Felix Freiling, Inhaber des Lehrstuhls für IT-Sicherheitsinfrastrukturen an der FAU und regelmäßiger Sachverständiger in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Professor Freiling führte das Publikum in laienverständlicher Weise in die komplexe Technologie und Funktionsweise des Tor-Netzwerks als Infrastruktur des Darknets ein. Dabei betonte er auch die recht einfache Handhabbarkeit und die daraus folgende Attraktivität der Technologie für kriminelle Akteure. Nach einer ersten Kaffeepause, die von den Besuchern für erste bi- und multilaterale Gespräche genutzt wurden, übernahm Jürgen Gause vom Bundeskriminalamt das Rednerpult und schilderte Herausforderungen und Erfolge im Kampf gegen die Underground Economy im Darknet. Herr Gause tat dies besonders anschaulich, da er seine Thesen anhand von real geführten Ermittlungsverfahren gegen Darknetplattformbetreiber erläuterte. Durch interessierte Nachfragen und eine rege Diskussion wurde deutlich, dass das Publikum das Thema gut aufgenommen hatte. Nach der Mittagspause – die dank des guten Wetters zum Teil im malerischen Schlossgarten der FAU verbracht werden konnte – führte Staatsanwalt Cai Rüffer von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) die Zuhörer in rechtliche Problemstellungen bei Darknet-Ermittlungsverfahren ein. Thematisiert wurden hier gleichsam materiell-rechtliche Fragen, z.B. ab wann bei einem Drogenkauf im Darknet für den Käufer der strafbare Versuch beginnt, wie strafprozessuale Fragestellungen, beispielsweise ob bei einem Kaufangebot gegenüber einem verdeckten Ermittler im Darknet bereits ein ausreichender Anfangsverdacht zur Führung eines Ermittlungsverfahrens besteht. Den krönenden Abschluss bildete der Vortrag von Daniel Moßbrucker von Reporter ohne Grenzen. Herr Moßbrucker sprach zu den Auswirkungen der zunehmenden staatlichen Überwachung im digitalen Raum auf die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten. In diesem Kontext behandelte er auch die immense Wichtigkeit der Tor-Netzwerk-Technologie für die Arbeit von Reporterinnen und Reportern in Krisengebieten und autokratischen Staaten, um sich gegen staatliche Repression zu schützen. Hier entwickelte sich eine äußerst lebhafte Diskussion zwischen verschiedenen Tagungsteilnehmern, welche auch im Rahmen der folgenden Abschlussdiskussion und sogar noch beim Stehempfang – dann in lockerer Atmosphäre – fortgesetzt wurde.

Die International Criminal Law Research Unit (kurz ICLU) freut sich über das rege Interesse an Cybercrime-Themen und wird die Veranstaltungsreihe im nächsten Jahr fortsetzen. Wir bedanken uns bei unserem Förderer, dem Bundesinnenministerium, sowie bei allen fleißigen Helfern, welche die Durchführung der Tagung erst ermöglichten.