Akte Recht: Unschuldsvermutung bei Prognosen für die Strafaussetzung zur Bewährung; Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe bei Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt

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In der heutigen Akte Recht stellen wir zwei Entscheidungen vor.

Der EGMR hatte darüber zu entscheiden, ob und wie (noch) nicht rechtskräftig abgeurteilte Straftaten bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung berücksichtigt werden dürfen. Gegen den Beschwerdeführer waren zwischen seiner erstinstanzlichen Verurteilung und der Berufungsverhandlung Ermittlungen wegen neuer Straftaten eröffnet worden. Das Berufungsgericht fand eine belastende Zeugenaussage des ermittelnden Polizisten so überzeugend, dass es den Beschwerdeführer als der neuen Taten „schuldig“ bezeichnete und deshalb die Aussetzung der erstinstanzlich verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ablehnte. Der EGMR sah darin eine Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 II EMRK und sprach dem Beschwerdeführer Schadensersatz i.H.v. 5.000 € zu.

In der zweiten Entscheidung befasste sich der 3. Strafsenat mit dem Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe bei Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Vorwegvollzug und anschließende Maßregelung dürfen in den Fällen der § 67 Abs. 2 S. 2 und 3 StGB nur die Hälfte der verhängten Freiheitstrafe umfassen, um eine Bewährungsentscheidung nach § 67 Abs. 5 S. 1 StGB zu ermöglichen. Dem Gericht kommt dabei nur ein Ermessen bei der Bestimmung der Länge des Vorwegvollzugs zu.